Mystic Structures
25.10.2024 – 30.11.2024
Joseph Beuys, Max Cole, Joel Fisher, Jürgen Krause, Louise Nevelson, Renato Nicolodi, and Esther Rosenboom
Galerie Siedlarek
Die Gruppenausstellung widmet sich thematisch dem Geheimnisvollen in der Kunst. Sie vereint sieben abstrakt und konzeptuell arbeitende Künstler*innen, die in ihren Werken die Beziehung zwischen Kunst und mystischen Phänomenen befragen, verborgene Schichten und Ordnungen erforschen, und Immaterielles durch innovative Bildfindungen und Materialprozesse künstlerisch aktivieren.
Die Galerie Siedlarek freut sich sehr, durch die Ausstellung historische Nachkriegs- sowie zeitgenössische Positionen in einen generationsübergreifenden Dialog zu stellen. Die teilnehmenden Künstler*Innen stammen aus den Deutschland, den USA und Belgien. Mit Jürgen Krause ist eine Position aus Frankfurt vertreten. Für die Berliner UDK-Absolventin Esther Rosenboom ist die Ausstellung ihr Debüt in der Stadt.
Das Werk von Jürgen Krause (*1971, lebt und arbeitet in Frankfurt) beschäftigt sich mit der Prozesshaftigkeit des künstlerischen Schaffens, insbesondere mit vorbereitenden Handlungen wie dem Schärfen von Werkzeugen oder dem Grundieren von Oberflächen. Diese Tätigkeiten, die normalerweise als Vorbereitungen auf das eigentliche Werk angesehen werden, stehen bei ihm im Zentrum. Dadurch reflektiert er das Unfertige und das Potenzial, das in jedem Beginn liegt, und fordert die traditionelle Vorstellung von Vollendung heraus. Krauses „Tafeln“ bestehen aus mehrfach geschichtetem Kreidegrund auf Papier, teils durchsetzt mit kunsthistorisch bedeutsamen Bildmaterialien wie z.B. rotem Bolus, einem Pigment, das traditionell in der Ikonenmalerei als Untergrund für Blattgold verwendet wird. Die Farbschichten und die Textur verleihen den Tafeln eine dichte, archaische Oberfläche, die das „Darunterliegende“ in den Vordergrund stellt und die Intensität dieser Struktur zeigt. Krause beschreibt den Arbeitsprozess als meditativ und wiederholend: Er setzt dabei auf Techniken wie das Schleifen und Grundieren, bis das Material eine tiefgründige Struktur in den Oberflächen erreicht, die das Verborgene aktiviert und sichtbar macht.
Esther Rosenbooms (*1994, lebt und arbeitet in Berlin) Arbeit ist ein Prozess der Entmaterialisierung. Architektonische Körper, die in ihre symmetrischen Formen gegeneinander verschobene Flächen, Gewölbe, Durchblicke, Passagen vereinen, sind in Esther Rosenbooms künstlerischer Arbeit keine Gebilde aus Stein oder einem Gussmaterial wie Gips, sondern zarte Bleistiftzeichnungen. Die einzelnen Flächen dieser recht großformatigen Arbeiten bleiben in einer leichten Schraffur durchlässig, die Räume der Architekturen werden dadurch transparent und durchdringen sich. An die Stelle von Materialität tritt bei Rosenboom ein geistiger Raum, dessen genaue Ausdehnung und Ausformung sich die Betrachter*innen selbst erarbeiten müssen. Die Geschlossenheit der dargestellten Körper zum Bildrand hin, ihre Symmetrie und ihre gedrungene, nicht sehr auskragende Form leiten den Blick zur Bildmitte und lassen die Betrachtung fast zu einer konzentrierten Meditation werden. Durch die Präsentation ihrer Zeichnung im Raum, ermöglicht durch die von ihr entwickelten Drahtverspannungen vom Boden zur Decke, dehnt Rosenboom den immateriellen Raum in den Ausstellungsraum aus. Die fragilen „Papierwände“ werden zum durchlässigen Raumteiler und verstärken das Spiel zwischen Transparenz und Massivität.
Die US-Amerikanerin Louise Nevelson (1899–1988, New York) gilt als eine der innovativsten Figuren der modernen Skulptur und prägte die Kunst des 20. Jahrhunderts mit ihren monumentalen, monochromen Assemblagen. Nevelson arbeitete vorwiegend mit Fundstücken aus Holz, die sie zu großen, monochromen Reliefs und Skulpturen arrangierte. Ihre Werke bestehen oft aus zahlreichen kleinen Einzelteilen, die zusammen ein komplexes, dreidimensionales Ganzes formen. Die Farbgebung ihrer Assemblagen ist fast immer einheitlich, entweder tiefschwarz, weiß oder gold, was den Fokus auf Form und Struktur lenkt und den Werken eine skulpturale Einheit verleiht. Besonders ihre schwarzen Skulpturen sind emblematisch für ihre Arbeit. Für Nevelson ist Schwarz „die Farbe der Unendlichkeit“ war, die „alles enthält“, und somit Träger unendlicher Potenziale ist.
Joseph Beuys (1921-1986, Düsseldorf) Intuitionskiste, eine multiple Arbeit aus dem Jahr 1968, zählt zu den emblematischen Werken seines radikal erweiterten Kunstbegriffs, der die Grenzen zwischen Kunst und Leben aufhebt. Die reduzierte, schlichte Holzbox ist nicht nur Objekt, sondern eine Einladung zur Reflexion über das Unsichtbare und Unbewusste. Sie fordert die Betrachter auf, sich dem Werk über die immateriellen Dimensionen von Intuition und Empfindung anzunähern und so die geistigen Potenziale ihrer eigenen Wahrnehmung zu erforschen. Mit dieser Arbeit verweist Beuys auf sein Konzept der „Sozialen Plastik“ – die Vorstellung, dass jede Einzelne die kreative Kraft besitzt, Gesellschaft aktiv mitzugestalten. Die Intuitionskiste steht exemplarisch für Beuys’ Überzeugung, dass Kunst nicht in Form oder Material gebunden ist, sondern in Denkprozessen und spirituellen Erkenntnissen ihre eigentliche Wirkung entfaltet. Die Leere der Box wird zur Projektionsfläche, die das Potenzial der Intuition hervorhebt und die zentrale Rolle des Menschen als Schöpfer seines sozialen und kulturellen Umfeldes betont. In ihrer vermeintlichen Einfachheit öffnet die Intuitionskiste so einen Raum für die Auseinandersetzung mit der Kunst als einer Kraft, die weit über das Sichtbare hinaus die Grenzen des Individuellen wie des Gesellschaftlichen zu verschieben vermag.
Joel Fishers (*1947, lebt und arbeitet in Vermont, USA) künstlerische Praxis ist primär eine des Machens. Machen im Sinne von „Herstellen“ oder „zur Existenz bringen“. Fisher stellt seine Materialien von Grund auf selbst her und eigentlich begründet sich auch nur darin seine Arbeitsweise. Seine Werke sind somit im strengen Sinne minimal – nur selten fügt Fisher zwei oder mehrere Materialien zu einer Arbeit zusammen. Das Material wird im Herstellungsprozess einer fundamentalen Transformation unterzogen, die ersichtlich und funktional ist. Fisher katalysiert dabei das Potential, das dem jeweiligen Material inhärent ist. Dieses Potential entfaltet sich im Spannungsfeld von Handwerk und Fishers künstlerischem Schaffen als wesentlicher Bestandteil der Form der resultierenden Arbeit. Die nüchternen und einfachen Qualitäten seiner Kunst sind visuell abstrakt und universal. Das Material wird herausgefordert, Handwerk und Fertigkeit treten hinter die Singularität und Widerständigkeit des Materials. Dadurch öffnet sich der Prozess dem Zufall und der Möglichkeit und die konzeptuelle Strenge Fishers künstlerischer Praxis tritt hervor.
Renato Nicolodis (*1980, lebt und arbeitet in Brüssel) Werke thematisieren Architektur, Monumentalität und das kollektive Gedächtnis. Nicolodi erschafft geometrische, oft symmetrische Formen, die an historische oder religiöse Bauwerke, wie Tempel, Bunker oder Mausoleen, erinnern, aber keine spezifischen Gebäude darstellen. In seiner Arbeit beschäftigt Nicolodi sich mit der Frage nach der Bedeutung von Architektur im Zusammenhang mit Machtstrukturen, Erinnerung und dem Übergang zwischen dem Diesseits und Jenseits. Nicolodis Skulpturen sind meist monochrom und oft in Materialien wie Beton, Gips oder Bronze ausgeführt, was ihnen eine rohe, archaische Ästhetik verleiht. Die Leere und Dunkelheit, die in vielen seiner Arbeiten eine Rolle spielt, laden den Betrachter dazu ein, sich mit Fragen der Vergänglichkeit und des Transzendenten auseinanderzusetzen.
Max Cole (*1937, lebt und arbeitet in New Mexico, USA) begann ihre Arbeit mit dem Ziel, das „Wesentliche an der Malerei“ zu finden. Nach einem langen Prozess der Vereinfachung verzichtete sie auf Thema, Farbe und Komposition – im Sinne einer Ausbalancierung der Bildfläche–, um sich dafür zu entscheiden, dass die horizontalen Linien das abstrakteste und gleichzeitig selbstverständlichste Element der Malerei sei, mit dem sie arbeiten möchte. Zwei Prinzipien des Linearen lassen sich im Werk von Max Cole unterscheiden: Jene horizontal geschichteten »Streifen« bewirken in ornamentaler Wiederholung die Wahrnehmung des Bildformats als Ausschnitt einer vermutlich grenzenlosen Fläche. Auf dieser elementaren Grundlage baut ein zweites lineares Prinzip auf: Jene aus der Hand gezogenen kleinen vertikalen Striche, die im Zwischenraum zweier »Horizonte« dicht aneinandergereiht werden und – vergleichbar der Herzfrequenz – als Zeiteinheit gelesen werden können, mit denen sich die Künstlerin in den von ihr geschaffenen Raum hineinschreibt.
Galerie Siedlarek
Fahrgasse 20
60311 Frankfurt am Main
T. 0176 80 45 26 51
Mi – Fr 12–18 Uhr
Sa 12–16 Uhr