DIE ESSENZ EINES MATERIALS
17.05.2024 – 29.06.2024
Oskar Holweck
Galerie Heike Strelow
Oskar Holweck, der in diesem Jahr 100 Jahre alt geworden wäre, gilt nicht nur in Fachkreisen als „Pionier der Papierkunst in Europa“ (Britta Kuth). Denn kaum ein anderer Künstler hat das Papier als künstlerisches Material derart konsequent und beharrlich erforscht wie der 1924 im saarländischen St. Ingbert geborene Künstler. Und selten drängt sich der Gedanke der Kontinuität so auf wie bei Holweck. Zugleich aber ist sein Werk geprägt von der „Vielfalt formaler Entdeckungen, die aus einer bewusst begrenzten und kontrollierten Basis hervorgehen“ (Hans-Peter Riese).
Dabei ist sein Hauptanliegen, „dem Material Formen seiner eigenen Art abzugewinnen“… und dabei die Wirkung des Lichtes auf Oberflächen, in Hohlräumen und durch die Eigenschaften von Werkstoffen zum Ausdruck bringen. Seine künstlerischen Methoden scheinen dabei fast grenzenlos. Reichen diese doch „vom Biegen, Knicken, Knüllen, Falten, Knittern, Drücken, Pressen, über Stauchen, Strecken, Ritzen, Durchstoßen, Reißen, Schlitzen, Schneiden, Kleben, Klopfen, Schlagen, Bohren, Sägen bis hin zum Sengen, Erhitzen, Brennen“ (Oskar Holweck). Dabei unterzieht Holweck das Papier einem Destruktionsprozess, mit dem es ihm gelingt, es in immer neue materielle Zustände zu überführen, in denen sich das faszinierende Spiel von Licht und Schatten entfalten kann. Unterstrichen wird dies durch die weitgehende Konzentration auf die weiße Farbe des Papiers. Holweck bringt damit, wie Hans-Peter Riese konstatierte, die Materialität des Werkstoffs Papier zu sich selbst. Und so ist es auch richtig, dass es Holweck grundsätzlich um „die Erforschung des Sichtbaren und um das Sichtbarmachen von Seinszuständen geht - um das Sehen und Sehen-Können“.
Dabei geht es um die Wahrnehmung minimaler Unterschiede, denn so konzeptuell sein Vorgehen ist und so oft er auch in Serien arbeitet, so unterscheiden sich doch alle seine Arbeiten durch die händische Bearbeitung in den Details, die dem einzelnen Werk im Sinne Walter Benjamins eine eigene Aura verleihen. Durch die manuelle Technik entstehen feine Unregelmäßigkeiten in den daraus resultierenden Strukturen, denen ein mediatives Moment innewohnt, das den Betrachter einlädt, sich in die Arbeit zu vertiefen.
Oskar Holweck, der in Saarbrücken und Paris studierte, begann seine künstlerische Laufbahn zunächst mit expressiven Tuschezeichnungen, die ihre Wurzeln im Infomel haben. Doch schon Ende der 1950er Jahre entstanden erste konzeptuelle Tuscharbeiten, in denen das Papier nicht mehr nur als Träger, sondern als gleichberechtigter Partner der Tusche fungierte - und 1958 sogar erste Papierreliefs. Seitdem lotet Holweck konsequent die Möglichkeiten des Papiers als Material aus.
Später erweiterte er sein Repertoire vom Relief zum Buchobjekt. Diese teilweise bis zu 1,80 Meter hohen Objekte schuf Holweck zwischen 1972 und 1987. Auch wenn er sie wieder mit Dekonstruktionstechniken schuf, entwickelte er aus den für ihn speziell produzierten, unbedruckten Büchern aus handelsüblichem Schreibmaschinenpapier „organische Formen, die vom Wachsen und Blühen zu zeugen" scheinen (Dr. Simone Schimpf). Es entstanden kraftvolle, energetische Objekte, die dem Betrachter die plastischen Möglichkeiten des Papiers eindrucksvoll vor Augen führen. Eines dieser inzwischen raren Werke wird in der Ausstellung zu sehen sein.
Seine Nähe zur Gruppe ZERO ist unverkennbar und so war es auch folgerichtig, dass er von1958 -1966 in der aktiven Zeit der Gruppe ZERO zu beinahe alle wichtigen Zeroausstellungen eingeladen wurde. Seine Werke wurden seitdem in über 400 Ausstellungen in Europa und den USA gezeigt. 1959 und 1972 wurde er zur documenta eingeladen, doch lehnte er die Teilnahme beide Male aus persönlichen Gründen ab. Seine Werke sind in zahlreichen internationalen Museen und privaten Sammlungen zu finden.
Neben seiner künstlerischen Tätigkeit war Oskar Holweck auch in der Lehre tätig. Nach einiger Zeit als kommissarischer Leiter der Grundlehre wurde Holweck 1956 hauptamtlicher Leiter der Grundlehre an der Staatlichen Schule für Kunst und Handwerk in Saarbrücken, eine Funktion, die er auch nach der Umbenennung der Schule in Werkkunstschule, Fachbereich Design, und nach deren Eingliederung in die Hochschule der Bildenden Künste Saar im Jahre 1989 innehatte. 1972 wurde er zum Professor ernannt. 1972 erfolgte die Ernennung zum Professor.
Holweck knüpfte in der Grundlagenlehre an die Prinzipien des Bauhauses an und übersetzte sie in seine Zeit. Ausgehend von wahrnehmungsphänomenologischen Untersuchungen entwickelte Holweck eine sinnliche und zugleich begriffliche Systematisierung der künstlerischen Grundlagenlehre als Grammatik der menschlichen Sinnesfähigkeit. (Institut für aktuelle Kunst, Saarlouis).
2007 starb Oskar Holweck hoch geehrt. Wir freuen uns, mit dieser Ausstellung einen repräsentativen Einblick in das Werk des Künstlers geben zu können.
Galerie Heike Strelow
Lange Straße 31
60311 Frankfurt am Main
Tel. +49 69 48 00 54 40
Mo, Mi–Fr 12–18 Uhr
Sa 12–15 Uhr u.n.V.